Schneller und einfacher zu hochaufgelösten dreidimensionalen elektronenmikroskopischen Bildern von Biomolekülen
FRANKFURT/JENA. Eine Art Köder, um gezielt Proteinkomplexe aus Mischungen fischen zu können, hat ein interdisziplinäres Team aus Frankfurt und Jena entwickelt. Dank dieses „Köders“ ist das gewünschte Protein wesentlich schneller für die weitere Untersuchung im Elektronenmikroskop verfügbar. Diese neuartige Schicht aus hauchdünnem molekularen Kohlenstoff taufte das Forschungsteam „smartes Nanoblatt“. Mit Hilfe der Neuentwicklung lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.
„Mit
unserem Verfahren lassen sich innerhalb einer Woche neuartige Proteine aus
Mischungen isolieren und charakterisieren“, erklärt Daniel Rhinow vom
Frankfurter Max-Planck-Institut für Biophysik. „Bisher war alleine die
Isolierung der reinen Proteine oft Teil einer mehrjährigen Doktorarbeit“.
Zusammen mit Andreas Terfort (Goethe-Universität Frankfurt) und Andrey
Turchanin (Friedrich-Schiller-Universität Jena) entstand vor einigen Jahren die
Idee, die gewünschten Proteine direkt aus Mischungen herauszufischen, indem man
ein Nanoblatt mit Erkennungsstellen ausrüstet, an die das Zielprotein bindet.
Nun ist es den Wissenschaftlern gelungen, Proteine dank eines „smarten
Nanoblatt“ umgehend für eine Untersuchung im Kryo-Elektronenmikroskop
zugänglich zu machen.
Die
Kryo-Elektronenmikroskopie basiert auf dem Schockgefrieren einer Probe bei
Temperaturen unter -150 Grad Celsius. Dabei behält das Protein seine Struktur,
störende Fixierungs- oder Färbemittel sind nicht nötig, und die Elektronen
können das vereiste Objekt leicht durchstrahlen. Es entstehen hochaufgelöste
dreidimensionale Aufnahmen kleinster Strukturen – etwa von Viren und DNA, bis
fast hinab zur Größenordnung eines Wasserstoffatoms.
Zur
Vorbereitung werden die Proteine in einer äußerst dünnen Wasserschicht auf
einem winzigen Metallnetz schockgefroren. Bislang mussten die Proben vor einer
elektronenmikroskopischen Untersuchung aufwendig und oft unter großen Verlusten
gereinigt werden. Nur wenn lediglich eine Sorte von Proteinen in der
Wasserschicht gebunden ist, ist die elektronenmikroskopische Untersuchung
erfolgreich.
Die
Gruppe um Turchanin setzt nun Nanoblätter ein, die lediglich einen Nanometer
dünn sind und aus einer vernetzten molekularen selbst-organisierenden
Monoschicht bestehen. Dieses Nanoblatt versieht Terforts Arbeitsgruppe mit
einem Gelbildner als Grundlage für den zum Gefrieren notwendigen dünnen
Wasserfilm. Daran binden die Forscher eine Erkennungsgruppe (eine spezielle
Nitriloessigsäure-Verbindung mit Nickelionen). Das Team um Rhinow nutzt die so
präparierten „smarten Nanoblätter“, um gezielt Proteine aus einer Mischung zu
fischen. Sie wurden vorab mit einer Histidin-Kette markiert, mit der sie an die
Erkennungsgruppe binden; alle anderen störenden Teilchen lassen sich abspülen.
Das Nanoblatt mit dem gebundenen Protein kann anschließend direkt mit dem
Elektronenmikroskop untersucht werden.
„Unsere smarten Nanoblätter sind besonders leistungsfähig, weil die Hydrogelschicht den notwendigen dünnen Wasserfilm stabilisiert und gleichzeitig die unspezifische Bindung störender Teilchen unterdrückt,“ erklärt Julian Scherr von der Goethe-Universität. „Damit kann die molekulare Strukturbiologie nun viel schneller Proteinstrukturen und -funktionen erforschen“. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.
Das
Team hat sich die neuen Nanoblätter patentieren lassen und auch schon einen
Hersteller gefunden, der dieses hilfreiche Werkzeug auf den Markt bringen wird.
Publikation:
Smart Molecular Nanosheets for Advanced Preparation of Biological Samples in
Electron Cryo-Microscopy, ACS Nano 2020, https://doi.org/10.1021/acsnano.0c03052
Julian
Scherr, Zian Tang, Maria Küllmer, Sebastian Balser, Alexander Stefan Scholz,
Andreas Winter, Kristian Parey, Alexander Rittner, Martin Grininger, Volker
Zickermann, Daniel Rhinow, Andreas Terfort und Andrey Turchanin; Abteilung
Strukturbiologie, Max-Planck-Institut für Biophysik, Max-von-Laue-Str. 3, 60438
Frankfurt am Main; Fakultät für Biochemie, Chemie, Pharmazie,
Goethe-Universität Frankfurt, Max-von-Laue-Str. 7, 60438 Frankfurt am Main;
Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena,
Lessingstr. 10, 07743 Jena
Ein Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/90123573
Bildtext: Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex
(gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen
Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau)
werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren
des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen
durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus
kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.
Informationen: Univ.-Prof. Dr. Andreas Terfort, Institut für Anorganische und
Analytische Chemie, Telefon +49-69-798-29181, E-Mail aterfort@chemie.uni-frankfurt.de, https://www.uni-frankfurt.de/53459866/terfort
Univ.-Prof.
Dr. Andrey Turchanin,
Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität
Jena, Lessingstr. 10, 07743 Jena, andrey.turchanin@uni-jena.de,, +49-3641-48370, www.apc.uni-jena.de